F.:
Wie übt man das?
M.:
»Untersucht man die vergängliche Natur äußerer Dinge, so führt
das zu Leidenschaftslosigkeit (vairagya).
Deshalb ist die Ergründung (vichara)
der erste und wichtigste Schritt. Wenn vichara
von selbst weitergeht, folgt daraus, dass Wohlstand, Berühmtheit,
Bequemlichkeit, Vergnügen usw. gering geschätzt werden. Der
Ich-Gedanke wird für die Untersuchung klarer. Der Ursprung des Ich
ist das Herzen – das ist das endgültige Ziel.
Liegt
jedoch einem Suchenden die nach innen gerichtete analytische Methode
des Weges der Selbstergründung (vichara
marga)
nicht, dann muss er Hingabe (bhakti)
an ein Ideal entwickeln. Sie kann Gott, dem Guru, der Menschheit im
Allgemeinen, ethischen Gesetzen oder sogar dem Ideal der Schönheit
gelten. Wenn ein solches Ideal vom Individuum Besitz ergreift, werden
andere Bindungen schwächer und es entwickelt sich
Leidenschaftslosigkeit (vairagya).
Gleichzeitig wird die Verbundenheit mit dem Gegenstand der Verehrung
immer stärker, bis sie ihn völlig beherrscht. Mit ihr wächst
unmerklich die Konzentration (ekagrata),
mit oder ohne Visionen und direkte Hilfen.
Falls
dem Suchenden weder die Ergründung noch die Hingabe liegt, kann er
es mit dem natürlichen Beruhigungsmittel der Atemkontrolle
(pranayama) versuchen. Sie ist als der Yoga-Weg bekannt. Ist
das Leben eines Menschen bedroht, dreht sich sein ganze Interesse um
das Eine, es zu retten. Wird der Atem angehalten, dann kann es sich
der Geist nicht leisten, zu seinen geliebten äußeren Objekten zu
springen, und er tut es auch nicht. Deshalb ist der Geist still,
solange man den Atem anhält. Weil sich die ganze Aufmerksamkeit auf
den Atem oder seine Regulierung richtet, werden die anderen
Interessen aufgegeben. Leidenschaften werden bekanntlich von einem
unregelmäßigen Atem begleitet, während Ruhe und Glück ihn langsam
und regelmäßig strömen lassen. Übergroße Freude ist tatsächlich
so schmerzhaft wie übergroße Qual, und beide werden von einem
gestörten Atem begleitet. Wahrer Friede ist Glück. Vergnügen
bringen kein Glück. Der Geist wird durch diese Übung gefestigt und
feiner, so wie eine Rasierklinge, die über dem Lederriemen abgezogen
wird, scharf wird. Er ist dann fähiger, innere und äußere Probleme
zu lösen.
Wenn
ein Suchender für die ersten beiden Methoden keine Veranlagung hat
und die dritte Methode durch bestimmte Umständen, wie z.B. wegen
seines Alters, nicht ausüben kann, dann muss er es mit karma
marga
versuchen, dem Weg guter Taten, wie etwa der soziale Dienst. Dadurch
wird sein edlerer Instinkt entwickelt und er bezieht unpersönliches
Glück aus seinem Tun. Sein Ego wird weniger bestimmend und seine
gute Seite kann sich entwickeln. So wird er allmählich fähig, einen
der drei früher genannten Wege einzuschlagen. Seine Intuition kann
sich schon allein durch diese Methode entwickeln.«
F.:
»Kann eine Reihe von Gedanken oder Fragen Selbsthypnose bewirken?
Sollte man sich nicht auf einen einzigen Punkt beschränken, um das
nicht analysierbare, grundlegende, wage wahrgenommene und schwer
fassbare Ich zu analysieren?«
M.:
»Ja. Es ist tatsächlich so, als ob man in eine Leere oder auf einen
glitzernden Kristall oder in ein reines Licht starren würde.«
F.:
»Kann man den Geist überhaupt auf diesen Punkt gerichtet halten und
wie?«
M.:
»Wird der Geist abgelenkt, frage sofort: »Wer hat diese ablenkenden
Gedanken?« Das bringt dich sofort zum Ich-Punkt zurück.«
M.:
»Es wird mit der Praxis länger.«
F.:
»Was geschieht nach dem Ablauf dieser Zeitspanne?«
M.:
»Der Geist kehrt zu seinem jetzigen normalen Zustand zurück. Die
Einheit im Herzen wird durch die Vielfalt der wahrgenommenen
Erscheinungen ersetzt. Das nennt man den nach außen gehenden Geist.
Der Geist, der ins Herz strömt, nennt man den ruhenden Geist.«
F.:
»Ist das alles lediglich ein verstandesmäßiger Prozess oder gehört
er überwiegend dem Empfinden an?«
M.:
»Letzteres.«
F.:
»Wodurch hören alle Gedanken auf, wenn der Geist im Herzen ist?«
M.:
»Durch Willenskraft, durch einen starken Glauben an die Wahrheit
dessen, was der Meister lehrt.«
F.:
»Und was wird durch diesen Vorgang gewonnen?«
M.:
a) Die Unterwerfung des Willens und damit die Entwicklung von
Konzentration.
b)
Die Unterwerfung der Leidenschaften und damit die Entwicklung von
Leidenschaftslosigkeit.
c)
Die zunehmende Praxis der Tugend und damit das Empfinden von der
Gleichheit aller (samatva).«
F.:
»Warum sollte man diese Selbsthypnose ausüben, indem man an den
undenkbaren Punkt denkt? Warum sollte man nicht andere Methoden üben,
wie etwa ins Licht zu schauen, den Atem anzuhalten, Musik zu hören
oder auf innere Klänge zu lauschen, heilige Silben zu wiederholen
(pranava, i.e. OM?) oder andere Mantren?«
M.:
»Weil das Starren ins Licht den Geist nur benommen macht und den
Willen nur für den Augenblick lähmt, aber keinen dauerhaften
Vorteil bringt. Atemkontrolle betäubt nur während der Übung den
Willen. Das Lauschen auf innere Töne hat eine ähnliche Wirkung -
außer das Mantra ist heilig und sichert die Hilfe einer höheren
Kraft zu, die die Gedanken reinigt und erhebt.«
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