Ein
andermal. Der Abend war still und bewölkt. Es nieselte gelegentlich
und war infolgedessen etwas kühl. Die Fenster der Halle waren
geschlossen worden. Der Maharshi saß wie üblich auf seinem Sofa.
Ihm gegenüber saßen die Devotees. Es waren Besucher aus Cuddalore
gekommen. Unter ihnen war ein Richter, der von zwei älteren Damen
begleitet wurde. Der Richter begann ein Gespräch über die
Unbeständigkeit aller weltlichen Dinge mit der Frage:
»Hat
die Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen (Sat
asat vicharana) in sich selbst die Kraft, uns zur Verwirklichung
des einen Unvergänglichen zu führen?«
M.:
»Es ist von allen wahren Suchern dargelegt und erfahren worden, dass
allein das beständige Verweilen im höchsten Geist (Brahma
nishta) uns Es erkennen und verwirklichen lässt. Da wir Es sind
und Es in uns ist, kann uns jegliches Üben von Unterscheidung nur
einen Schritt vorwärts bringen, indem sie uns zur Entsagung bringt,
indem sie uns antreibt, das Sichtbare (abhasa) als vergänglich
zu verwerfen und allein an der ewigen Wahrheit und Gegenwart
festzuhalten.«
Das
Gespräch wandte sich der Frage zu, ob göttliche Gnade (Iswara
prasadam) zum Erreichen des universellen Reiches (samrajya)
nötig sei oder ob nicht das
ehrliche und unermüdliche Bemühen des jiva, es
zu erlangen, ihn von selbst zu Dem führen könne, von Dem aus es
keine Rückkehr zu Leben und Tod mehr gibt.
Ein
unbeschreibliches Lächeln erstrahlte auf dem heiligen Antlitz des
Maharshi, das alle erreichte, die um ihn herum saßen, als er mit
fester Stimme erwiderte: »Göttliche Gnade ist für die
Verwirklichung unabdingbar. Sie führt zur Gottverwirklichung. Aber
diese Gnade wird nur dem zuteil, der ein wahrer Verehrer oder Yogi
ist und hart und beständig auf dem Weg zur Freiheit vorangegangen
ist.«
F.:
»In den Yoga-Büchern werden sechs Zentren erwähnt, aber der jiva
soll im Herzen wohnen. Stimmt
das?«
M.:
»Ja. Es heißt, dass der jiva
im Tiefschlaf im Herzen und im Wachzustand im Gehirn weilt. Das Herz
darf aber nicht mit dem Blut pumpenden Muskel mit vier Kammern
verwechselt werden. Es gibt zwar Stellen in den Schriften, die diese
Ansicht vertreten. Andere wiederum halten das Herz für eine Gruppe
von Ganglien oder Nervenzentren in diesem Bereich. Für uns spielt es
keine Rolle, welche Sichtweise die richtige ist. Wir sind mit nichts
Geringerem als mit unserem Selbst befasst und das haben wir ganz
sicher in uns. Darüber kann es keinen Zweifel und keine Diskussion
geben.
In
den Veden und den
anderen Schriften wird mit ›Herz‹ die Stelle bezeichnet, von wo der
Ich-Gedanke entspringt. Entspringt er etwa nur aus einem
Fleischklumpen? Es entspringt etwas rechts von der Mitte unseres
Körpers. Aber das wahre Ich hat keinen Ort. Alles ist das Selbst. Es
gibt nichts anderes außer Es. Deshalb muss man sagen, dass das Herz
unser ganzer Körper und das ganze Universum ist, das wir als Ich
wahrnehmen. Um aber dem Übenden (abhyasi)
zu helfen, müssen wir einen bestimmten Teil des Universums oder des
Körpers bestimmen. Deshalb wird auf das Herz als Sitz des Selbst
verwiesen. In Wirklichkeit sind wir jedoch überall, wir sind alles,
was ist, und etwas anderes gibt es nicht.«
F.:
»Es heißt, dass göttliche Gnade nötig sei, um samadhi,
den unabgelenkten Zustand des Geistes zu erreichen. Stimmt das?«
M.:
»Wir sind Gott (Iswara).
Iswara Drishti, d.h.
uns als Gott zu erkennen, ist göttliche Gnade. Deshalb brauchen wir
göttliche Gnade, um Gottes Gnade zu erlangen.«
Der
Maharshi lächelte und alle Devotees lachten.
F.:
»Es gibt auch eine Göttliche Gunst (Iswara anugraham),
die etwas anderes als göttliche Gnade (Iswara prasadam)
ist. Stimmt das?«
M.:
»Der Gedanke an Gott ist göttliche Gunst. Er ist von Natur aus
Gnade (prasad oder
arul). Es ist Gottes
Gnade, dass du an Ihn denkst.«
F.:
»Ist nicht die Gnade des Meisters das Ergebnis von Gottes Gnade?«
M.:
»Warum unterscheidest du zwischen den beiden? Der Meister ist
dasselbe wie Gott und nicht von Ihm verschieden.«
F.:
»Wenn man sich anstrengt, um ein rechtes Leben zu führen und das
Denken auf das Selbst zu konzentrieren, dann folgt dem oft ein
Stolpern und Sturz. Was soll man dagegen tun?«
M.:
»Am Ende wird alles gut. Deine Entschlossenheit gibt dir einen
beständigen Impuls, der dich nach jedem Sturz und Zusammenbruch
wieder auf die Beine bringt. Allmählich überwindest du alle
Hindernisse und dein Antrieb wird stärker. Alles wird am Ende gut.
Du musst nur immer entschlossen sein.«
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen