Sonntag, 28. Oktober 2012

Talk 13, 6. und 7.1.1935

6. Januar 1935
Die Engländerin M.A. Piggot kam den Maharshi besuchen. Sie hatte ›A Search in Secret India‹ [von Paul Brunton] gelesen. Ein Schüler stand als Übersetzer bereit. In der Halle waren viele Besucher, auch einige Frauen mit ihren Kindern. Es war deshalb sehr laut. Nach einiger Zeit herrschte Ruhe. Plötzlich hörte man den Maharshi, der seinen Blick ins Unendliche gerichtet hatte, sanft sagen: ›Na, Äffchen!‹ Ein kleines Affenbaby stand im Eingang, unbewacht von der Mutter, die auf der anderen Seite der Tür saß. Ein großer Affe stand auf seinen Hinterbeinen bei ihm und streichelte es mit beiden Händen, ohne es dabei im Geringsten zu verletzen, beide friedvoll vereint in der Gegenwart des Maharshi. Als die Stimme des Maharshi ertönte, sprang der Affe gewandt davon und verschwand. Der Vorfall beeindruckte die Frau sehr.

7. Januar 1935
»Ist für die Verwirklichung ein Meister nötig?«, lautete die erste Frage, die Frau Piggot stellte.
M.: »Die Gnade des Meisters trägt mehr zur Verwirklichung bei als Lehren, Vorträge, Meditationen usw. Diese sind nur von zweitrangiger Bedeutung, während die Gnade die eigentliche und wesentliche Ursache ist.«
F.: »Welches sind die Hindernisse, die die Verwirklichung des Selbst vereiteln?«
M.: »Die Denkgewohnheiten (vasanas).«
F.: »Und wie soll man sie überwinden?«
M.: »Indem man das Selbst verwirklicht.«
F.: »Das ist ein Teufelskreis.«
M.: »Es ist das Ego, dass solche Schwierigkeiten entstehen lässt. Es schafft Hindernisse und leidet dann an der Verwirrung, die aufgrund der scheinbaren Widersprüche entstehen. Finde heraus, wer diese Fragen stellt, und du wirst das Selbst finden.«
F.: »Welche Hilfsmittel gibt es für die Verwirklichung?«
M.: »Die Lehren der heiligen Schriften und von Menschen, die das Selbst verwirklicht haben.«
F.: »Können solche Lehren auch Diskussionen, Vorträge und Meditationen sein?«
M.: »Ja, aber diese Hilfen sind nur zweitrangig, während die Gnade des Meisters wesentlich ist.«
F.: »Wie lange dauert es, bis man sie erlangt?«
M.: »Wozu willst du das wissen?«
F.: »Damit ich hoffen kann.«
M.: »Auch solch ein Wunsch ist ein Hindernis. Das Selbst ist immer da. Nichts existiert ohne es. Sei das Selbst, und die Wünsche und Zweifel werden verschwinden. Dieses Selbst ist der Zeuge im Tiefschlaf, Traum und Wachzustand. Diese drei Zustände gehören dem Ego an. Das Selbst überschreitet das Ego. Hast du nicht auch im Tiefschlaf existiert? Warst du dir derweilen bewusst, dass du schläfst und der Welt nicht gewahr warst? Erst im Wachzustand beschreibst du die Erfahrung des Tiefschlafs als ein Zustand der Wahrnehmungslosigkeit. Deshalb ist das Bewusstsein im Schlaf dasselbe wie im Wachzustand. Wenn du weißt, was dieses Wachbewusstsein ist, erkennst du auch das Bewusstsein, das alle drei Zustände bezeugt. Dieses Bewusstsein kann man finden, indem man das Bewusstsein sucht, wie es im Tiefschlaf vorhanden ist.«
F.: »Dabei schlafe ich ein.«
M.: »Das macht nichts.«
F.: »Da ist nur Leere.«
M.: »Wer sieht die Leere? Finde es heraus. Du kannst zu keiner Zeit dich selbst leugnen. Das Selbst ist immer da und bleibt in allen Zuständen bestehen.«
F.: »Soll ich wie im Tiefschlaf bleiben und zugleich aufmerksam sein?«
M.: »Ja. Aufmerksamkeit ist der Wachzustand. Deshalb kann dieser Zustand kein Schlaf sein, sondern ist schlafloser Schlaf. Wenn du den Weg deiner Gedanken mitgehst, wirst du von ihnen davongetragen und findest dich in einem endlosen Labyrinth wieder.«
F.: »Dann muss ich also die Spur der Gedanken bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen.«
M.: »Genau. Auf diese Weise verschwinden die Gedanken, und allein das Selbst bleibt übrig. In Wirklichkeit gibt es für das Selbst kein Innen und Außen. Das sind ebenfalls Projektionen des Egos. Das Selbst ist rein und absolut.«
F.: »Ich verstehe das nur theoretisch. Trägt nicht auch der Verstand zur Verwirklichung bei?«
M.: »Ja, bis zu einem gewissen Grad. Trotzdem musst du erkennen, dass das Selbst den Verstand überschreitet – er muss verschwinden, um das Selbst zu erreichen.«
F.: »Hilft meine Verwirklichung den anderen?«
M.: »Gewiss. Sie ist die bestmögliche Hilfe. Aber in Wirklichkeit gibt es keine anderen, denen man helfen müsste. Denn ein Verwirklichter sieht nur das Selbst, ebenso wie ein Goldschmied nur das Gold sieht, wenn er verschiedene Schmuckstücke schätzt. Nur wenn du dich mit dem Körper identifizierst, gibt es Formen und Gestalten. Aber wenn du deinen Körper überschreitest, dann verschwinden die anderen zusammen mit deinem Körperbewusstsein.«
F.: »Ist es mit Pflanzen, Bäumen usw. ebenso?«
M.: »Existieren sie denn getrennt vom Selbst? Finde das heraus. Du denkst, dass du sie siehst. Dieser Gedanke wird von deinem Selbst hervorgebracht. Finde heraus, wo er entsteht. Dann werden keine Gedanken mehr auftauchen, und nur das Selbst bleibt übrig.«
F.: »Ich verstehe das zwar theoretisch, aber die Pflanzen und Bäume sind immer noch da.«
M.: »Ja. Es ist wie im Kino. Die Leinwand wird vom Licht beleuchtet, und die Schatten, die darüber huschen, erwecken bei den Zuschauern den Eindruck von der Inszenierung eines Stückes. Ähnlich ist es, wenn im selben Stück auch die Zuschauer gezeigt werden. Der Seher und das Gesehene würden dann nur die Leinwand sein. Wende das auf dich selbst an. Du bist die Leinwand. Das Selbst hat das Ego hervorgebracht. Dem Ego wachsen Gedanken zu, die sich als die Welt, Bäume, Pflanzen usw. zeigen, nach denen du fragst. In Wirklichkeit sind alle diese Dinge nichts anderes als das Selbst. Wenn du das Selbst siehst, wirst du erkennen, dass es alles ist, immer und überall. Nur das Selbst existiert.«
F.: »Ja, und doch verstehe ich es immer noch nur theoretisch. Aber deine Antworten sind so einfach, schön und überzeugend.«
M.: »Sogar der Gedanke ›Ich erkenne Es nicht‹ ist ein Hindernis. In Wirklichkeit gibt es nur das Selbst.«

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